Der Autor spannt einen zeitlichen Bogen von 199 bis 2020 nach Chr.. Er
lässt gekonnt einen Kriminalfall im 20. Jahrhundert spielen, der sich
über 60 Jahre erstreckt. Es geht um archäologische Funde aus der
Römerzeit, für die zwei Morde begangen werden. Die Handlung ist
glaubwürdig und in jeder Phase für den Leser nachvollziehbar.
Gleichzeitig erfährt der Leser etwas über die Gründung Rosenheims im
Alpenvorland und die Entwicklung der Stadt. Historisches wird leicht
verdaulich in einem Krimi verpackt und hat mit der bekannten
Vorabendserie „Die Rosenheim-Cops“ wenig gemein. Der Kriminalroman liest
sich flott und hält bis zum Ende die Spannung.
Der Privatdetektiv schafft es immer plausibel die Protagonisten
auszufragen. Erstaunlich ist, wie er den spannungsgeladenen Kontakt zur
Kriminalpolizei für die Aufklärung des Falles aufrecht hält. Allein die
Tatsache, dass er kein Honorar erhält, ist eigentlich nicht
nachvollziehbar. Doch sieht man seinen unermüdlichen Einsatz unter dem
im Buch nicht erwähnten Aspekt der Eigenwerbung, wird auch das logisch.
Allein der geheimnisvolle Titel „Ad Enum“ macht schon neugierig. Der
Leser erfährt im Text die genau recherchierte Übersetzung und viele
andere Fachausdrücke. Zur Vervollständigung der Darstellung der
Zeitspanne gibt es original römische Rezepte und Links zu
Radwanderrouten um die Stadt Rosenheim. Es ist dem Buch anzumerken, dass
der Autor sich für Geschichte und Archäologie sehr interessiert. Um
beim Leser keine falschen Annahmen aufkommen zu lassen, weist er im
Epilog auf Erfundenes und Wahrheit hin.
Der Krimi ist für jeden ein Leseschmaus, der es weniger blutrünstig und
abgründig mag und trotzdem an solider Krimikost verbunden mit
historischen Elementen interessiert ist.
Zwei unterm Kreuz (Die Tyrannei von Feder & Flasche / Acheron-Verlag Leipzig)
Normalerweise trinke ich nie was mit Alkohol …
September. Ein regnerischer Vormittag. Auf dem Weg nach Berlin mache ich Zwischenstation in einem idyllischen, blitzsauberen Dorf nahe der Autobahn. Die Gaststätte neben der Kirche hebt sich architektonisch kaum von den paar Wohnhäusern ab. Altbacken. Drinnen riecht es nach Braten und Suppenwürze. Auf jedem der sieben Tische in der Gaststube steht eine Vase mit frischen Wiesenblumen. Ein ans Kreuz genagelter Holz-Jesus wacht vom hintersten Winkel über den Betrieb. Am Tisch unterhalb des Kreuzes sitzen regungslos wie Statuen zwei ältere Leute. Gegenüber, in der Nähe der Theke, klopfen vier Senioren Karten, und reden dabei nur das Nötigste. Kurz unterbrechen sie wegen mir, ihre Blicke verfolgen mich misstrauisch. Wo setzt sich der fremde Kerl hin? In die Nähe der zwei unter dem Kreuz! Die Wirtin bringt mir die Karte. Sie sagt, ich solle mir ruhig Zeit lassen mit dem Aussuchen, der Koch wäre noch nicht da. Ich bestelle Mineralwasser, eine Tasse Kaffee und tue so, als lese ich in einer Zeitschrift.
Unter dem Kreuz wird es laut. Da hockt dieser schmuddelige Mann mit der Erdbeernase, ein großes Glas Rotwein mit beiden Händen sichernd, und redet auf seinen Tischnachbarn ein: „Ich mag die Leute nicht, die mit dem einfachen Weltbild, die alles geregelt haben, die übersehen, wie bewegt und veränderlich doch alles ist …“
Nicht so sehr was, sondern wie er es sagt irritiert mich! Wie kann „einer wie der“ so gewählt sprechen? Lallt der nicht eigentlich wirres Zeug und kotzt dann über den Tisch?
„…die Leute in ihren schicken Wägen, denen das Schicksal der anderen egal ist, die über Leichen gehen! Sollen sie leben wie sie leben, sollen sie aber verdammt noch mal ihr Maul halten und sich nicht als Krone der Menschheit betrachten!“
Er nimmt einen großen Schluck. (…)
dazu eine Buchkritik :
Geschrieben von Heike Hartmann-Heesch Tuesday, 3. October 2006 (Verstärker-Online) Buch: "Schriftsteller über Alkohol "
Über 50 Autorinnen und Autoren reflektieren in dieser Anthologie, herausgegeben von Rodrigo Riedrich, den unterschiedlichen Umgang mit Alkohol, dem „Treibstoff des Genies“, wie Faulkner ihn bezeichnet hat. Und gerade bei der schriftstellerischen Arbeit, die oft von Einsamkeit und Selbstzweifeln geprägt ist, ist Alkohol kaum wegzudenken, glaubt der Herausgeber und widmet dies Buch Hemingway, Fitzgerald, Allen Poe und vielen anderen großen amerikanischen Schriftstellern – und bekennenden Trinkern. Alkohol ist keine Droge, mit der man Urlaub von der Realität machen kann, im Gegenteil, Alkohol schafft ein Miteinander von Rauschtraum und Realität und die Verbindung zum „normalen“ Leben bleibt quälend lange erhalten. Und genau dies spiegelt sich in vielen der Texte wider. Situationen, in denen sich wohl Die Tyrannei von Feder und Flasche“, Gedichte und Storys, jeder Autor schon einmal befunden hat, werden reflektiert, „der Dichter vor einem weißen Blatt Papier“ oder die Ideen, die langsam im Unbewussten entwickelt werden, aber durch „die Hilfe“ des Alkohols nie den Weg bis zur Zunge geschweige denn bis in die Finger finden.
Die Geschichten, Epigramme und Gedichte, so unterschiedlich sie auch sein mögen, eint eines: Sie ziehen den Lesern fast immer sofort in sich hinein, der Leser befindet sich mitten im Geschehen, hat Teil, erkennt (sich) wieder, lehnt (sich) ab, kann nachvollziehen (und will es oft gar nicht). Ja, Alkohol erleichtert die Kommunikation – macht aber auch einsam. Er kann Fröhlichkeit auslösen - und tiefe Traurigkeit, führt in schriftstellerische Räusche oder in den Wahnsinn. Alkohol weckt Zärtlichkeit – und Gewalt und Brutalität.
All dies in diesen Texten in diesem Buch. Ganz weit weg und doch hautnah.
Dies Buch ist (natürlich) kein Sachbuch. Das war auch nicht das Anliegen. Aber es vermittelt umso mehr und umso intensiver das, was der Titel besagt: das Dilemma; die Tyrannei von Feder und Flasche. Viele der Texte muten wie Erfahrungsberichte an.
Viele sind „zwischen den Zeilen“ ver
r
ü
c
k
t,
fast alle scheinen sie durch und durch authentisch. Texte vom „Abschiednehmen“, von Ersatzwelten, vom „Abgefüllt“ sein, vom Trinkerleben und Betrunkensein, von der Nacht mit dem leeren Blatt Papier, vom Absacker, „Neurosensumpf“, beschleunigten Gefühlen, vom berauschten Poeten, Herzblut und Nachtalbernheiten.
Die Texte sind lustig, witzig, traurig, irrsinnig, verrückt, ernst, absurd, ehrlich, vor allem sind aber oft eines: sehr berührend.
„Die Tyrannei von Feder und Flasche“, Acheron Verlag, 2006, ISBN 3-9810222-2-X